Wer von schmutzigen Bomben spricht,
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,397686,00.html
Frei nach dem unschlagbaren Motto "Wer nichts mehr zu sagen hat, der schreibt", stellt wohl auch in diesem Jahr die Frankfurter Buchmesse die Folgen allgemeiner Verunsicherung angesichts der propagierten Realität der zwiegespaltenen Leserschaft vor.
Während die einen sich den vorgeblich opportunen Sachzwängen nicht mehr verweigern, sich als voll reformwillig und neoliberal bekehrt geben und sich wie die Lemminge auf die inhaltlich immer gleichen Sachbücher stürzen, die sie gebetsmühlenartig argumentativ dem ungläubigen Sozialromantiker um die humanistisch betäubten Ohren schlagen, stecken die anderen lieber weiter mit irgendeinem Büchlein den Kopf in den Sand, denn, wir wissen es alle, die Welt ist zu schlecht, als dass wir nicht vor ihr ins Phantastische oder geschmäcklerisch Patriotische flüchten dürften.
Denn Bücher, das sagte ausgerechnet schon Brecht, sollen auch unterhalten.
Was kann daran also falsch sein, wenn sie dies ausschließlich tun?
Überhaupt ist das Buch eine Ware, die, ebenso wie das "Frankfurter Würstchen", angepriesen werden muss, um nicht im Regal zu verrotten, sondern gekauft und konsumiert zu werden.
Und bei über achtzigtausend Neuerscheinungen pro Jahr muss dem Leser ein wenig Appetit gemacht werden, sonst verdirbt er sich an der überreichlichen Kost noch den Magen.
Da heißt es, den kleinsten gemeinsamen Geschmack zu treffen und so spiegelt jede Buchmesse wohl auch den vorherrschenden Mainstream wider, gibt Auskunft über den zu diagnostizierenden geistigen Zustand einer schon in zwei Klassen gespaltenen Gesellschaft.
So verstanden könnte also der Soziologe ohne umfangreiche Studien betreiben zu müssen, anhand der Bestsellerlisten ablesen, wie es ums Volksempfinden bestellt ist und wohin die Reise gehen wird.
Denn: Sage mir was du liest und ich sage dir wer du bist.
"Der arme Poet" (1839) - Carl Spitzweg
"Das Geld ist leider die Sache, für die man im Leben am meisten zahlen muss."
Gesellschaftlich wird der Wert eines Menschen oftmals am Wert seines Besitzes gemessen, sein Sein also dem Haben gleichgestellt.
Je geldwertorientierter eine Gemeinschaft auftritt, desto überwiegender trifft dieses zu.
So wird in weiten Kreisen der USA nicht mehr davon gesprochen, wer jemand ist, welchen Charakter also jemand hat, auch nicht darüber, was er beruflich macht, sondern wieviel er an Wert darstellt:
"He´s a Million Dollar man."
Gestützt wird diese Weltanschauung durch eine falschverstandene These der Evolutionstheorie, die sich auf den Kernsatz Darwins reduziert, dem Survival Of The Fittest, verstanden als Überleben des Stärksten, wobei eigentlich aber das Überleben der anpassungsfähigsten Arten gemeint ist.
Ohne auf dieses Mißverständnis an dieser Stelle einzugehen, scheint es dazu beizutragen, einerseits den Wert des Geldes als Maßstab für den Erfolg eines Menschen zu dokumentieren und andererseits den Wert des Geldes mit dem Wert eines Menschen gleichsetzen zu können.
Wer also seinen Besitz durch welche Methoden auch immer steigert, dessen Wert und Ansehen steigt auch für einen Großteil seiner Zeitgenossen.
Das so geartete System des Kapitalismus stellt also das Haben einer Person in den Mittelpunkt seines Interesses und nicht dessen Sein, welches weitestgehend im Verborgenen bleibt, wohingegen der Geldwert in Tabellen und Statistiken nachzulesen ist.
Während es also vollkommen gleichgültig erscheint, wie jemand "sein Geld gemacht hat", wird jegliches Verhalten einer Person, sei es negativ oder positiv, das sie auf dem Weg zum Reichtum an den Tag gelegt hat, nachträglich legitimiert; es zählt nur der Erfolg und das daraus resultierende Ansehen, der soziale Status.
Wenn aber ausschließlich das Haben im Mittelpunkt des Strebens steht und gesellschaftlich erwünscht erscheint, so wird das Haben-wollen um jeden Preis zum Fetisch, zum Goldenen Kalb, während das Sein zum Schattendasein verurteilt ist.
Um dieses System auch moralisch zu untermauern, wird den Erfolglosen vorgegaukelt, dass jeder seines Glückes Schmied wäre, jeder habe die Chance, aus seinem Leben das Optimale "herauszuholen", was nachweisbar nicht stimmt (diesen Blödsinn erzähle man zum Beispiel einmal einem brasilianischem Kind, das sich vom Abfall einer aufstrebeneden Wohlstandsgesellschaft ernähren muss oder einem fünfzigjährigem deutschen Erwerbslosen, der zwar hochqualifiziert, aber den Unternehmern zu alt ist. Die meisten Millionäre in Deutschland haben sich ihren Reichtum nicht verdient, sondern diesen geerbt, also vom Schmieden eines Vorgängers profitiert usw. usf.)
Eine weitere moralische Legitimation für das System der geldwertorientierten Gesellschaft sind die vielen "Wohltätigkeitsveranstaltungen", die in den USA und anderen Wohlstandstaaten abgehalten werden. Diese "Wohltätigkeit" ist also keine reine Menschenfreundlichkeit, sondern die Kehrseite Medaille, dient sie doch einerseits dazu, sein Gewissen zu beruhigen, vielmehr aber
andererseits sich nach außen hin als moralisch wertvoll zu präsentieren und eventuelle Fragen, wie es zu diesem Reichtum gekommen ist, im Keim zu ersticken.
Während den nicht Reichen Religion und sittliches Empfinden überlassen bleibt, sie also nach Werten, die nicht Besitz verkörpern, zu streben haben, um den gesellschaftlichen Frieden nicht zu gefährden, kann sich der Wohlhabende darüber hinwegsetzen, denn er erfährt quasi doppelte Absolution: Einerseits wird sein Verhalten nachträglich durch seinen Erfolg legitimiert, andererseits kann er sich durch scheinbares Wohlverhalten, indem er spendet, Almosen verteilt usw., freikaufen von eventuell moralischer Schuld, die er auf seinem Weg zum Wohlstand auf sich geladen haben könnte.
Hier stellt sich dann allerdings die Frage, wer in Wahrheit reicher ist:
Derjenige, dessen Leben einem, außerhalb seines Selbst stehenden, Fetisch verpflichtet ist oder derjenige, der sich um die Weiterentwicklung seines Seins, sich also um den Zuwachs seiner "inneren Werte" bemüht.
Es geht folglich nicht um Neid auf Wohlhabende oder Reiche, denn wer diese beneidet, strebt deren Leben selbst an und ist stets bemüht, es ihnen nachzutun, sondern vielmehr darum, für sich selbst zu erkennen, für welche Werte man sich hauptsächlich entscheiden will.
Da wir alle in einer geldwertorientierten Gesellschaft leben, in der die eigene Existenz nicht ohne Geld lebenswert zu erhalten ist, kann es dabei nur auf einen Kompromiss hinauslaufen, zu beantworten mit den Fragen:
Was brauche ich?
Und wer will ich wirklich sein?
* Geld ist besser als Armut - wenn auch nur aus finanziellen Gründen.
* Kein Vergnügen ist so leicht zu haben wie eine nette Konversation. Sie kostet kein Geld, bringt Gewinn, erweitert den Horizont, begründet und pflegt Freundschaften und läßt sich in jedem Alter und so gut wie jeder gesundheitlichen Verfassung genießen.
* Ein reicher Mann ist oft nur ein armer Mann mit sehr viel Geld.
* Es gibt Leute, deren Herzen gerade in dem Grad einschrumpfen, als ihre Geldbörsen sich erweitern.
* Vielleicht verdirbt Geld tatsächlich den Charakter. Auf keinen Fall aber macht ein Mangel an Geld ihn besser.
* Das Unerfreulichste am Geld ist, dass je weniger davon vorhanden ist, man sich desto mehr Gedanken darum machen muss.
Links zum Thema
Was, so wird hier manch einer einwenden, hat das Schweigen mit Sprache zu tun, ist es doch der vollständigste Mangel an derselben, den ein Mann von einer Frau sich wünschen kann?
Doch wir möchten in unseren kurzen Diskursen über die Sprache ja nicht ausschließlich diese allein beleuchten, sondern uns vor allem der Waffenfähigkeit der verbalen Kommunikation widmen, und dazu gehört ganz offensichtlich auch das Fehlen des Ausgesprochenen, das Verschwiegene also.
Während schon in der Musik gerade die Pause dazu beiträgt, ein Stück zu vervollkommnen, also der nichtklingende Ton es erlaubt die klingenden als solche wahrzunehmen und damit zu Melodie und Rhythmus in nicht zu verkennender Weise beiträgt, wird das Schweigen noch immer weitestgehend von Kommunikationsforschern zu wenig untersucht und gewürdigt.
Diesem Mißstand wollen wir an dieser Stelle Abhilfe leisten, indem wir uns mit gewohnt vielen Worten der Sprachlosigkeit widmen, wir also dem Nichts etwas entgegenstellen oder anders gesagt, aus nichts etwas machen.
Dabei allerdings sollten wir wie bisher nicht davon ausgehen, dass das weibliche Schweigen dem männlichen auch nur annähernd gleichzusetzen wäre, denn auch hier wie schon in anderen Bereichen zwischengeschlechtlicher Kommunikation würde sich eine Gleichstellung als letztlich täuschend erweisen, was angesichts unserer wichtigen wissenschaftlichen Arbeit, will sie als seriös gelten, äußerst unprofessionell zu nennen wäre.
Wie wir schon in vorhergehenden Artikeln zum Thema nachgewiesen haben, bringen Männer und Frauen sehr unterschiedliche Grundvoraussetzungen mit, was Sprachvermögen und den Umgang damit betrifft.
Diese Unterschiede kommen aber, wie schon angedeutet nicht nur beim Akt des Sprechens zum Tragen, sondern ebenso beim Nicht-Akt des Schweigens.
Das Schweigen, aufgrund Lautäußerungsverweigerung der höchsten Stufe als nonverbal zu bezeichnen, sollte selbst dem schärfsten Kritiker noch einleuchten, während folgende Behauptungen einer verschärften Beweisführung zu bedürfen scheinen, die zu erbringen ich mich nun anschicke.
Während das Schweigen dem normal aufgewachsenen Mann natürlich ist, all sein Streben folglich dahin geht, sich in aller Stille weiterzuentwickeln, ist es der normal sozialisierten Frau eigentlich fremd, denn sie sucht stets das Gespräch zum selben Zwecke.
Wenn also ein Mann schweigt, befindet er sich im Naturzustand, während eine schweigende Frau ihm ein Alarmzeichen sein sollte, vor allem, wenn sie noch kurz vorher mit ihm redete oder ihn gar zu einem Gespräch zu ermuntern suchte:
"Du, ich glaube, wir sollten einmal miteinander reden."
Der solcherart aus seinem natürlichen Zustand gerissene Mann weiß aus alter, seit Urzeiten gesammelter Erfahrung, was das für ihn bedeutet:
Er schweigt, so lange die Frau spricht.
Nun kann es während eines etwas länger dauernden Monologs der Frau passieren, dass der Mann nach etwa einer Stunde ungewohnten Zuhörensollens am Stück, unwillkürlich in seinen gewohnten und vertrauten Naturzustand verfällt, auch sein ständiges Nicken mit dem Kopf wirkt meditativ entspannend auf ihn und er eine, nun endlich von der Frau entdeckte entscheidende Frage überhört, die eine sofortige Antwort erforderlich machen würde, würde sich dieser natürliche Mann als derjenige erweisen, den sich die Frau schon immer in ihren Träumen erhofft hat.
Das Überhören einer derart beziehungserhaltenden Frage und die aus dieser Ignoranz resultierende Nichtbeantwortung derselben und das ständige Kopfnicken des Mannes führt nicht selten zu folgendem oder ähnlich klingendem Dialog:
"Ich hab dir eine Frage gestellt!"
"Mmh? Eine Frage? Was denn für eine Frage?"
"Nie hörst du mir zu, wenn ich dir etwas Wichtiges zu erzählen habe. Statt dessen schweigst du nur und nickst mit dem Kopf."
"Ich hab dir zugehört."
"Anscheinend ja nicht. Sonst würdest du mir ja antworten."
"Wie war denn deine Frage?"
"Pöh. Was du kannst, kann ich schon lange."
Schweigen.
"Jetzt sag doch mal. Was hast du denn gefragt?"
Schweigen.
An dieser Stelle können wir getrost den Schauplatz dieses, einer endlosen Schleife nicht unähnlichen, Nichts-weiter-Geschehens verlassen, denn auch noch so bemühtes Nachfragen des Mannes, wie denn die Frage gelautet habe (etwa eine Stunde) wird durch beredtes Schweigen beantwortet. (Nach dieser Stunde wissen weder Mann noch Frau, worum es eigentlich zu Beginn des Gesprächs gegangen sein könnte. Das Schweigen wird je nach Tageslaune, körperlicher Verfassung und Temperament der Beteiligten von lautem Türenschlagen oder sonstigen nonverbalen Äußerungen kommentiert, die in Bestzeiten eine Renovierung einzelner Wohnräume, in seltenen Fällen aber auch der kompletten Wohnung nach sich ziehen kann.)
Nun schweigt der Mann zwar auch wieder, scheint also in seinen wünschenwerten natürlichen Zustand zurückgekehrt, ist aber in sich überschlagenden Gedanken schuldbewusst damit beschäftigt, zu ergründen, wie es zum Schweigen der über alles geliebten Frau kam, während die Frau schweigt, weil sie sich unverstanden, mißachtet und übergangen fühlt und den über alles geliebten Mann ebendiese Gefühle auch spüren lassen möchte, damit er bei nächstbester Gelegenheit einander auszutauschen besser zuhört und nicht immer nur schweigend nickt. © 2005 Jon
On dit, so sagt man in Frankreich zum Gerücht, gibt das Wesen der Tochter der Lüge sehr gut wieder:
Man sagt ...
Dies oder das ließe sich also sagen über diesen oder jenen, wie man so gehört hat, soll er ja ...
Das weiß man von Frau Müller und die hat´s von Herrn Meier, der sprach mit Frau Schneider, die vorher noch beim Friseur mit der Coiffeuse Gaby wie der Herr F., unglaublich, das gibt´s doch gar nicht, wenn das stimmt, skandalös, erzählen Sie doch mehr ...
Gaby, Coiffeuse blondgebleichten dauerwelligen eigensinnigen Kopfes hat´s von der Sprechstundenhilfe Gisela und die wiederum weiß es von Metzgermeister Bruch und der, ja der saß ja mit Herrn F. selbst am Tisch, wie man munkelt, da soll der F. es selbst ...
Skandalös, wenn man´s nur glauben kann.
Herr F. aber, seines angedichteten Rufes, der Stadt größter Liebhaber zu sein vollkommen unkundig, wunderte sich anfangs nicht wenig über die freundliche Begrüßung seitens der schönsten Frauen, sooft er ihnen begegnete, bis es ihm zur Gewohnheit wurde, charmant zurückzulächeln, was allerdings ein jähes Ende aufgrund des neuesten Gerüchtes über ihn fand, dass es doch nicht so weit her sei mit seinen amourösen Fähigkeiten und er seit einiger Zeit nur noch unter Zuhilfenahme medikamentöser Präparate seinen Mann zu stehen wisse wie man es von Herrn Salziger, dem Apotheker, also aus sicherster Quelle, erfahren habe und, überhaupt, dass wisse man aber nun nicht so ganz genau, man wolle sich ja hier nicht um Kopf und Kragen reden, sei er, erzählen Sie das aber bitte nicht weiter, in einem Ho-mo-sex-u-ellenlokal gesehen worden, und da sei man sich ja mittlerweile über sämtlich Konsequenzen, die so etwas mit sich bringen könne im Klaren, ob er nun Aids, nein , das wisse man nicht, aber ..., und sich Herr F. wie vordem ungegrüßt durchs Leben brachte, wobei er, das weiß nun ich aus sicherster Quelle, denn man hat es mir aus dem engsten Freundeskreis des Herrn F. mehrmals versichert, bis heute nicht versteht, wie ihm geschah und warum nun jede, auch weniger schöne Frau seinen lächelnden Gruß nicht nur nicht erwidert, sondern sich wie angeekelt von ihm abwendet, als sei er Träger einer scheußlichen, schon durch Freundlichkeit übertragbaren Krankheit. © 2005 Jon
Mit dem gesprochenen Wort trat wohl auch die Lüge ihren erfolgreichen Weg im Austausch unter den Menschen an.
Während der noch sprachlos lebende Vorzeit-Mensch seinen jeweiligen Vorteil in der mehr oder weniger plumpen Täuschung seiner Zeitgenossen zu erlangen suchte, konnte nun endlich mit einfachsten Mitteln jede erdenkliche falsche Information zur allgemeinen Verwirrung und Störung der zwischenmenschlichen, aber vor allem zwischengeschlechtlichen Kommunikation eingesetzt werden.
Sicher hinkten diesbezüglich die Männer anfangs den Frauen aus schon genannten Gründen (siehe auch: "Das scharfe Schwert der spitzen Worte - oder: Mit den Waffen einer Frau") sprachlich lange Zeit hinterher, aber sie sollten, manch einer bezeichnet es als Wunder der Evolution, im Laufe mehrerer Jahrtausende, obwohl von der Natur mit einem Mängelexemplar verbaler Kommunikationsfähigkeit beschenkten Gehirn dann doch lernen, sich ihrer Haut zu wehren und es den Frauen gleichzutun.
So konnten sie endlich auf die Frage: "Schon wieder Mammut?" in flüssiger Sprache erwidern: "Liebste, wie du aus der Konsistenz des dargebotenen Fleischberges erkennen kannst, handelt es sich hier keineswegs um ein ordinäres Mammutbret, sondern, siehe hier und da die Maserung des feingezogenen Muskelapparates, der diesen, von dir so voreilig gezogenen Schluss, es handle sich um ein minderwertiges Produktangebot meinerseits, ad absudum führt."
Die, vom ungewohnt üppigen Redefluss ihres ansonsten eher schweigsamen Gatten, angenehmst überraschte Steinzeitgattin (nichts liebt sie so sehr wie sprachgewandte Männer), warf zwar dennoch einen kurzen Blick auf das vom Manne derart gepriesene, ihr doch allzu stark noch immer nach Mammut riechende, zu Füßen liegende Wildfleisch, konnte aber mangels wissenschaftlich begründeter Argumentationseloquenz, - sie sammelte zu der Zeit hauptsächlich Beeren, war sich also der Qualität dieses Fleisches wenig sicher -, an dieser Stelle ihrem Angetrauten nichts anderes erwidern als: "Du wirst wohl recht haben."
Zufrieden glaubte der Mann nun, sich im Glanze seiner sprachlich wohlformulierten Lüge zurücklehnen zu dürfen, was er, erschöpft von Jagd und allzu langer Rede verhängnisvollerweise für ihn und sein Geschlecht denn auch tat, indem er sich aufs nächste Fell fallen ließ und sich schnarchend seiner damaligen Lieblingsbeschäftigung hingab, im Vertrauen auf den häuslichen Frieden, der ihm durch höchsten verbalen Einsatz gesichert schien.
Kaum jedoch hatte er sich süßesten Träumen von Jagd und zärtlichen Küssen ergeben, ergriff sein Weib das mildmüffelnde Wildfleisch und zog es hinter sich her zur nächsten Konferenz der Frauen, die am Lagerfeuer stattfinden sollte.
"Was," fragte sie, noch immer schwirrten die Worte ihres Gatten ihr im Ohr, die versammelten Frauen "ist das für ein Fleisch?"
"Mammut," sprach sach- und fachkundig eine nach der anderen und so nickte die durch süßen Klang holder Worte ent-täuschte Betrogene mit zusammengekniffenen Lippen, "dieser Neandertaler (ein sehr abfälliges Schimpfwort jener vorgeschichtlichen Tage) hat mich also belogen."
Voller Schrecken zuckten die versammelten Frauen zusammen und riefen voller Verzweiflung über den augenscheinlich gewordenen Verlust ihres Jahrhunderte währenden Monopols: "Wie konnte er nur!"
Was diesem Gespräch an Handlungen folgte, ist leider nur unvollständig übertragen, aber es sollen sich nicht wenige unschöne Szenen in den einzelnen Hütten des kleinen Dorfes ereignet haben, bei denen gewisse Fleischstücke eine Rolle spielten.
Dabei, und nun kommen wir zum Wesen der Lüge, setzt diese ja zuerst einmal die Kenntnis der Wahrheit voraus, denn erst wer diese kennt, kann sie um so beschönigender darstellen.
Was aber ist Wahrheit anderes als subjektives Empfinden?
Oder anders gesagt, schafft sich nicht jeder erst seine eigene Wahrheit?
Auch die Behauptung der Wissenschaft, sie arbeite objektiv und damit sei Wahrheit von vornherein schon gegeben, widerlegt sich in dem Moment selbst, in dem der forschende Finder meist vor allem das entdeckt, was er sich zu entdecken vorgenommen hat.
Beispiele für diese selbst erfüllende Prophezeiung zu nennende Vorgehensweise werden sich zur Genüge finden lassen, mögen sie auch noch so einleuchtend statistisch belegt sein und ihre Argumente noch so erschlagend klingen.
Wahrheit also scheint schwerer auszusprechen als die Lüge, ist sie doch äußerst individuell angelegt, während der Betrug einfacher zu gestalten ist.
Ein einfaches Ja oder Nein ist oftmals ausreichend genug, scheinbar ehrlich dennoch zu lügen, während die Darstellung einer persönlichen Wahrheit sich wesentlich schwieriger gestaltet, da sie komplexer ist.
Lügen haben also der Wahrheit gegenüber nicht unwesentliche Vorteile, zumal sie, als sogenannte Notlüge betrachtet, wie in unserem "Mammutfall" bis zur peinlichen Entdeckung derselben dazu dienen sollen, einen Zustand der Befriedung zu erzeugen.
Kommt also Ihr Lebensabschnittsgefährte, altmodisch Partner genannt, vier Wochen zu spät vom Zigarettenholen zurück und sagt mit einem breiten Lächeln auf einem, von Spuren sexueller Verwüstung gezeichneten Gesicht, er habe einfach niemanden finden können, der ihm den Zehn-Euro-Schein habe wechseln können, dann lächeln auch sie ebenso breit zurück und bereiten ihm einen schönen Abend, denn so viel Ehrlichkeit sollte in aller Liebe belohnt werden und sie wollen doch nicht etwa kleinlich auf Wahrheit bestehen, die es, wie schon bewiesen, so nicht geben kann.
Merke: Die besten Lügen erzählt man, wenn man selbst an sie glaubt. © 2005 Jon